Ethnomaieutische Lehrmittel-Versuchsanstalt

Die Pflugschar des Bösen

Dipl.-Agrar Ing. Meisterbauer J. F. Friedrich H. Schminke freut sich über die Möglichkeit, anlässlich der von den Philosophischen Bauern in der FRIZZGalerie ausgerichteten ERNTE 21 über aktuelle Forschungsergebnisse der ethnomaieutischen Lehrmittel-Versuchsanstalt berichten zu können. Nachweise und Material werden im Rahmen der Open-Data-Strategie der Versuchsanstalt an dieser Stelle zugänglich gemacht.

Die Pflugschar des Bösen. Nachweise & Material

Dipl.-Agrar Ing. Meisterbauer Johann Christian Friedrich H. Schminke, Fachaufsicht der ethnomaieutischen Lehrmittel-Versuchsanstalt,  nach einer morgendlichen Lektüre in seinem Lieblingsbuch "Die fröhliche Wissenschaft", Spätsommer 1886

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 250 x 360 mm (OST 5115/10)

Text: Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 1. Buch, Nr. 4 (read)

 

"Die guten Menschen jeder Zeit sind die, welche die alten Gedanken in die Tiefe graben und mit ihnen Frucht tragen, die Ackerbauer des Geistes. Aber jenes Land wird endlich ausgenützt, und immer wieder muß die Pflugschar des Bösen kommen." 

 

Material:

Pflugschar des Bösen. Heiner Müller im Interview mit Alexander Kluge. Primetime (visit)

Pflugtechnik (visit)

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Orpheus mon amour  I: Strahltracheiden / Strahlparenchym

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 250 x 180 mm (OST 5115/11)

Quelle: Katherine Esau, Pflanzenanatomie, VEB Gustav Fischer Verlag Jena 1969, S. 494 (Tafel 30)

Text: Heiner Müller, Orpheus gepflügt, in:  Werke I. Die Gedichte, Frankfurt am Main 1998, S. 49

 

"Die Verschmähten jagten ihn: mit Waffen ihrer Leiber Ästen Steinen. Aber das Lied schont den Sänger: was er besungen hatte, konnte seine Haut nicht ritzen. Bauern, durch den Jagdlärm aufgeschreckt, rannten von ihren Pflügen weg, für die kein Platz gewesen war in seinem Lied. So war sein Platz unter den Pflügen."

 

Material:

Der Tod des Seneca. Heiner Müller im Interview mit Alexander Kluge. Ten to Eleven (visit)

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Orpheus mon amour II: Strahl mit Harzgang

Orpheus mon amour III: Strahl

 

Fotos: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 120 x 180 mm (OST 5115/12)

Quelle: Katherine Esau, Pflanzenanatomie, VEB Gustav Fischer Verlag Jena 1969, S. 495 (Tafel 31)

Text: P. Ovidius Naso, Metamorphosen, übersetzt von Michael von Albrecht, Stuttgart 2010, 11. Buch, 41-54

 

"Der Mund - o Jupiter! - den Steine erhört, den wilde Tiere verstanden haben, hauchte die Seele aus, und sie entwich in die Winde. (...) Die Glieder liegen allerorten verstreut. Das Haupt und die Leier nimmst du, Hebrus, auf, und - o Wunder! - während sie mitten im Fluß dahingleitet, lässt die Leier Klagetöne erklingen; Klagelaute murmelt die entseelte Zunge, mit Klagen antworten die Ufer."

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Seit ihrer Begegnung mit dem vernunftgeschädigten Immanuel Kant im Februar des Jahres 1804 in Königsberg ist Henriette von Löwenstern eine zwanghafte Diskursverweigerin.

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 120 x 180 mm (OST 5115/12)

Text: Heiner Müller, Traktor, in: Texte 2. Geschichten aus der Produktion 2, Rotbuch Verlag Berlin 1991, S. 11

 

"Und wenn der Hunger von ganz Brandenburg

Am Feldrain aufmarschiert und brüllt nach Brot

Die Ungebornen mit und die Verwesten

Brülln ohne Stimme und gehen ohne Schritt

Und wenn die halbe Welt vor Hunger brüllt

Mir ist dein Acker meine Leiche nicht wert

Dein Minenfeld pflüg mit deinen eignen Knochen."

 

Material:

Henriette von Löwenstern I

Henriette von Löwenstern II

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Orpheus mon amour IV: Das harte Feld

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 120 x 180 mm (OST 5115/12)

Text: P. Ovidius Naso, Metamorphosen, übersetzt von Michael von Albrecht, Stuttgart 2010, 11. Buch, 13-41

 

"Doch der unbedachte Krieg nimmt zu, das Maß ist verloren, und es herrscht die Erinnye in all ihrem Wahnsinn. (...) Jetzt erst wurden die Steine rot vom Blut des Sängers, der kein Gehör fand. Und zuerst zerrissen die Mänaden die unzähligen Vögel (...).  Dann wenden sie sich mit blutüberströmten Händen gegen Orpheus selbst und scharen sich zusammen wie Vögel (...). Die einen schleudern Erdschollen, die andern vom Baum gerissene Äste, andere werfen Steine. Und damit es dem Wahnsinn nicht an Waffen fehle, pflügten gerade Rinder mit tiefgehender Pflugschar die Erde, und nicht weit davon gruben Bauern, um mit saurem Schweiß einen Ertrag zu erzielen, mit starken Armen das harte Feld um. Kaum hatten sie den Schwarm erblickt, ergreifen sie die Flucht und lassen ihr Arbeitsgerät zurück. Weit auf den verlassenen Feldern verstreut liegen Harken, schwere Hacken und lange Karste. Dies alles packen die Rasenden, zerfleischen die Rinder, die ihnen mit den Hörnern drohen, und rennen zurück, dem Sänger zum Verhängnis. Und ihn, der bittend die Hände ausstreckt, dessen Worte jetzt zum ersten Mal keinen Erfolg haben und dessen Stimme alles ungerührt lässt, töten die Frevlerinnen."

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Uns reift die Erndte nicht mehr

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 250 x 360 mm (OST 5115/10)

Text: Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke. Bd. 11: Hyperion II,  historisch-kritische Ausgabe, hrsg. v. D. E. Sattler, S. 616-617

 

"Frage, was wir thun! war die Antwort.

Und wenn ich fragte?

So würden wir dir sagen, daß wir da sind, aufzuräumen auf Erden, daß wir die Steine vom Aker lesen, und die harten Erdenklöse mit dem Karst zerschlagen, und Furchen graben mit dem Pflug, und das Unkraut an der Wurzel fassen, an der Wurzel es durchschneiden, samt der Wurzel es ausreißen, daß es verdorre im Sonnenbrande.

Nicht, daß wir ernten möchten, fiel ein andrer ein; uns kommt der Lohn zu spät; uns reift die Erndte nicht mehr.

Wir sind am Ende unsrer Tage. Wir irrten oft, wir hofften viel und taten wenig.

Auch sagt man, auf verbrannten abgestorbenen Vulkanen gedeihe kein schlechter Most."

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Herr Jacoby, unbarmherzig

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 250 x 360 mm (OST 5115/10)

Quelle: Moderne Wunder. Natürliche Erklärung der älteren wie neueren Geheimnisse der Spiritisten und Antispiritisten, Geistercitierer, Hellseher, Gedankenleser, Heilmedien, Mnemotechniker und Rechenkünstler sowie der neueren sensationellen Wunder und Darstellungen aus dem Gebiete der Optik, Physik und Mechanik. Von Carl Willmann, Fabrikant magischer Apparate, Leipzig 1886, S. 67

Text: Weltall Erde Mensch. Ein Sammelwerk zur Entwicklungsgeschichte von Natur und Gesellschaft, Verlag Neues Leben, Berlin 1962, S. 459

 

"Das graue Gespenst wird gebannt. Seit die Menschen die Erde bevölkern, werden sie von einem grauen Gespenst gejagt: vom Gespenst des Hungers. Unbarmherzig trieb es sie an, nach allem, was eßbar ist, Ausschau zu halten, zu sammeln, zu jagen, Felder zu bestellen, Haustiere zu züchten, zu arbeiten, zu lernen und zu streben."

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Minna N., ewige Traktoristin, an ihrem Namenstag, froh, nicht in Frankreich zu leben.

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 250 x 180 mm (OST 5115/11)

Quelle: Dia-Sammlung, unbekannte Haushaltsauflösung

Text: Weltall Erde Mensch. Ein Sammelwerk zur Entwicklungsgeschichte von Natur und Gesellschaft, Verlag Neues Leben, Berlin 1962, S. 460

 

"In den USA wird Getreide verbrannt, in Kanada die Milch in Strömen weggeschüttet; in Argentinien und Australien werden Berge von Fleisch vernichtet, in Brasilien zahllose Waggons voll Kaffee ins Meer entleert; in Frankreich stockt der Wein in übervollen Notbehältern, und in Kalifornien weiß man nicht wohin mit dem Segen, der aus den Edelobstplantagen quillt."

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Ungepflügte Erde

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 120 x 180 mm (OST 5115/12)

Quelle: Aktaion's Superhero Champions. Herbarium

Text: P. Ovidius Naso, Metamorphosen, übersetzt von Michael von Albrecht, Stuttgart 2010, 1. Buch, 108-111

 

"Ewiger Frühling herrschte, und sanfte Westwinde streichelten mit lauen Lüften Blumen, die ungesät entsprossen waren. Bald trug ungepflügte Erde auch Getreide, und ohne nach einer Brache neu bearbeitet zu sein, war der Acker weiß, voll schwerer Ähren."

 

Material:

Aktaion's Superhero Champions. Herbarium

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Wiegen lassen

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 120 x 180 mm (OST 5115/12)

Text: Friedrich Hölderlin, Mnemosyne, in: Sämtliche Werke. Bd. 8: Gesänge II,  historisch-kritische Ausgabe, hrsg. v. D. E. Sattler, S. 739-740

 

"Reif sind, in Feuer getaucht, gekochet

Die Frücht und auf der Erde geprüfet und ein Gesez ist

Daß alles hineingeht, Schlangen gleich,

Prophetisch träumend auf

Den Hügeln des Himmels. Und vieles

Wie auf den Schultern eine

Last von Scheitern ist

Zu behalten. Aber bös sind

Die Pfade. Nemlich unrecht,

Wie Rosse, gehen die gefangenen

Element' und alten

Geseze der Erde. Und immer

Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles aber ist

Zu behalten. Und Noth die Treue.

Vorwärts aber und rükwärts wollen wir

Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie

Auf schwankem Kahne der See."

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Müde vom Schlachtlärm der Revolution. Minna N., ewige Traktoristin, mit Funktionären des Ständigen Beraterstabs.

 

Foto: Arthur Baron von Aktaion

Maße: 250 x 180 mm (OST 5115/11)

Quelle: Dia-Sammlung, unbekannte Haushaltsauflösung

Text: Heiner Müller, Mauser, in: Texte 6, Rotbuch Verlag Berlin 1991, S. 55 (und öfter)

 

"Und ich war einverstanden mit dem Auftrag.

Wissend, das tägliche Brot der Revolution

Ist der Tod ihrer Feinde, wissend, das Gras noch

Müssen wir ausreißen, damit es grün bleibt

War ich einverstanden mit dem Auftrag

Den die Revolution mir erteilt hatte

Mit der Stimme der Partei im Schlachtlärm. /

Und dieses Töten war ein andres Töten

Und es war eine Arbeit wie keine andere."

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Beiträge für

Die Philosophischen Bauern

ERNTE 21

4.5.- 17.5.2021 (24/7)

FRIZZGalerie - Friedrichstraße 23a, 10969 Berlin